Gedanken von einem aus der Branche, über die Branche
Das Leben hat immer Überraschungen parat. Eine überdimensionale Überraschung gab es in der Eventbranche, wie auch für viele andere Branchen, durch die Corona Krise. Innerhalb von wenigen Tagen kam es bei den meisten Eventagenturen und -dienstleistern zu einem beinahe Totalausfall des Umsatzes. Einige konnten durch längerfristige Verträge noch den März retten. Die harten Monate für die Eventbranche kommen aber erst in der zweiten Jahreshälfte, wenn Kosten nach Hilfsmaßnahmen der Regierung wieder zu tragen sind, die Umsätze aber noch nicht die Niveaus von vor Corona erreicht haben.
Viele stellen sich daher nun die Frage, wohin sich die Branche Post-Corona entwickelt. Kehrt die Eventbranche nach einem mehrere Monate dauerndem Schleuderkurs wieder auf die Autobahn zurück oder muss sie sich neue Wege suchen, um wieder Ihre Blüte erreichen zu können?
2020: Retten, was zu retten ist
Klar ist, dass anfangs alle Unternehmen versuchen werden, die Schäfchen so weit als möglich ins Trockene zu bringen, also so viel Umsatz wie möglich in den bereits bestehenden Geschäftsbereichen zu sichern. Es ist also gefragt, mit seinen Kunden nach den ersten Wochen der Schockstarre in regelmäßigem Kontakt zu stehen und zu klären, welche Budgets zu welchem Zeitpunkt zur Verfügung stehen. Die Kapazitäten müssen an diese Möglichkeiten angepasst werden. Hier besteht die größte Gefahr in die Kostenfalle zu tappen, wenn dann Umsätze nicht den Erwartungen entsprechen.
2021: Und jetzt geht es ans Eingemachte
Wer also das turbulente zweite Halbjahr überlebt hat, kann sich an 2021 ran machen. Und das hält nicht minder Herausforderungen parat, um in der entstandenen Marktdynamik einer sich veränderten Eventbranche bestehen zu können. Wer meint, es bleibt alles beim Alten, die Kunden buchen wieder nach denselben Strukturen, wird wohl rasch eines besseren belehrt. Neben dem Umstand, dass in beinahe keiner Branche die Krise spurlos an ihr vorbeigegangen ist, die Kunden also durchwegs knapp bei Kasse sind, werden auch viele ihre Eventaktivitäten hinterfragen und sich neu ausrichten.
1. Individualisierung – der MEHRwert durch das Weniger
Die Anzahl der Events ist in den letzten Jahren in luftige Sphären gestiegen. Gepaart mit steigender Mobilität konnte der eventaffine Konsument an Wochenenden sogar in entlegenen, ländlichen Regionen zwischen einer Vielzahl an Freizeitmöglichkeiten wählen. Die Firma lädt ein zum Teamevent, der Händler zur Frühlingsschau, die Gemeinde zum Umtrunk, das Stadtmarketing lockt mit Innenstadtbelebung. Dazu noch die boomenden Freizeiteinrichtungen vom Kino bis zur Gastronomie, das üppige Vereinsleben und dann noch der runde Geburtstag der Nachbarin. Die Disziplin der „Eventhetzerei“ hat sich erfolgreich etabliert, man wollte ja überall dabei sein und auf keinen Fall etwas versäumen.
Und dann kam Corona. Von einem Tag auf den anderen mit sich selbst beschäftigen… uff. Plötzlich ist ein einzelner Kontakt, ein Gespräch, ein Anruf wieder mehr wert. Man lernt, sich intensiver mit einzelnen Themen zu beschäftigen, setzt sich vermehrt mit eigenen Interessen auseinander. Zeit war schon wertvoll, wird nun noch wertvoller. Wo muss ich als „Eventkonsument“ wirklich dabei sein, wo nicht? Welche Kontakte bringen mich persönlich weiter, geben mir Kraft, tragen zu einer positiven Energiebilanz bei?
Der Konsument wird wieder mündiger, lässt sich seltener hetzen, gibt dem einzelnen Kontakt, dem speziellen Event wieder mehr Gewicht. Es war ja durchaus auch angenehm, in der Corona-Zeit mal nicht jederzeit verfügbar sein zu müssen.
Wenn der Konsument also einen Event besucht, wird verstärkt ein Filter angewendet, der als Ergebnis weniger Kontakte, die dafür aber intensiver zeigt.
Und was heißt das für die Eventbranche?
Der Event wird kundenspezifischer, stärker auf die Situation, in der sich der Konsument befindet, zugeschnitten. Die geringere Anzahl der Kontakte wird durch eine höhere Intensität des Kontaktes mehr als ausgeglichen. Und dazu noch die Begleitung des Kontaktes über einen längeren Zeitraum, auch vor und nach dem Event) (siehe folgende Punkte) intensiviert und somit die emotionale Bindung des Kunden.
Wenn der Konsument also einen Event besucht, wird verstärkt ein Filter angewendet, der als Ergebnis weniger Kontakte, die dafür aber intensiver zeigt.
2. Längere Kontaktzeitspanne
Den Eventkunden schon viel früher zu erreichen war natürlich auch schon in vergangenen Jahren wichtig. Das verstärkt sich nun aber noch. Lange Zeit war klassisches Eventmarketing darauf fokussiert, zu informieren. Immer mehr rückt nun die Aktivierung und auch Themenbindung schon lange vor einer Veranstaltung in den Mittelpunkt. Der „Event“ tangiert den Kunden mit den für ihn interessanten Themen über eine längere Zeitspanne, auch vor und nach dem Event.
Der Konsument setzt sich also viel früher mit dem Thema auseinander. Die Zielgruppe ist zwar kleiner, dafür intensiver im Kontakt. Botschaften können exakter positioniert werden und sind als solche auch zielgerichteter wahrnehmbar. Somit kommt es zu einer Individualisierung der geplanten eventbegleitenden Maßnahmen im klassischen Marketing inkl. Social Media.
3. Digitalisierung? Na endlich! Aber nicht ohne Emotion
Events werden digitaler, ob in der Begleitung, Umsetzung, Planung oder auch in der Art und Weise der Kontaktaufnahmen zum Kunden. Diese werden auch affiner im Umgang mit neuen, digitalen Trends, sind daher auch offener für alternative Kontaktaufnahme. Trotzdem oder gerade deshalb sucht der Konsument aber nach Möglichkeiten, ein Produkt, ein Thema, eine Botschaft zu spüren. Und das geht nur, wenn er persönlich in Kontakt tritt.
Social Media Kanäle gewinnen gerade jetzt in der Corona Krise stark an Bedeutung. Viel Budget wird umgeschichtet, ist doch ein direkter Kontakt schwer möglich. Nutznießer sind Social Media Agenturen zu Lasten der operativen „Hands on“ Eventdienstleister. Diese müssen sich neu orientieren, ihr Portfolio adaptieren und ihren Platz in einer veränderten, Richtung digitale Medien rückenden, Eventbranche suchen.
Dies gilt ebenso für den Onlinehandel. Es gibt viele Produkte, die muss man nicht in die Hand nehmen. Es gibt aber auch viele Produkte, die möchte man mit allen Sinnen wahrnehmen bevor man eine Kaufentscheidung trifft. Somit ist für Onlinestores der Event oder auch die Präsentation dort, wo Frequenz ist, ein wichtiges Instrument, der eigenen Marke im Rahmen von inszenierter Emotion Raum zu geben.
4. Ehrlichkeit – die Wiederauferstehung eines Wertes dank Digitalisierung
Ist schon interessant, dass man sich mit Ehrlichkeit von Markenauftritten gezielt auseinandersetzen muss. Sollte ein solcher Wert nicht sowieso im Vordergrund stehen? Doch welche Marke stellt im entscheidenden Moment nicht die ehrliche Information in den Hintergrund, wenn es um Umsatz geht? Da kann beim Verbrauch, bei der Kennzeichnung, beim Gütesiegel, bei der Gesundheit, Ernährungswerten und Co schon mal geschummelt werden. Und schummeln ist ja nicht unehrlich, man meint es ja trotzdem gut, ist vom Produkt grundsätzlich ja überzeugt, lügt ja nicht wirklich.
Je größer der Konzern, desto unpersönlicher wird der Kontakt, desto mehr Schwindel ist möglich. Der kleine, regionale Betrieb um die Ecke, der mit seinen eigenen Händen erzeugt, der dem Kunden in die Augen sieht und für sein Produkt gerade steht, ist weniger stark verleitet, die Botschaft verkaufsfördernd zu kaschieren, als der großstrukturierte Markenvertreter.
Und jetzt kommt die Digitalisierung ins Spiel: Daten und Fakten zum Produkt können besser nachverfolgt werden. Der Konsument wird mündiger und hat leichter Zugriff auf Informationen. Somit kann auch die Entscheidung immer besser unter Berücksichtigung der für ihn wichtigen Werte getroffen werden.
Jetzt ist die Eventbranche gefordert, diese Wertigkeit auch zu inszenieren
Der Markenindustrie müssen die „Eventinszenierer“ diesen Trend klar machen. Die ehrlichen Vorzüge von Marken und Produkten werden offen und ehrlich dargestellt, keine falschen Botschaften vermittelt. Es muss immer davon ausgegangen werden, dass der Konsument mündig ist und einen Schwindel erkennt. Volle Konzentration auf die Stärken eines Produktes und kein Schönreden, so soll der Konsument die Marke und das Produkt wahrnehmen. Der Konsument soll selbst die Entscheidung treffen, ob er die Schwäche eines Produktes in Kauf nimmt, ihm die Möglichkeit der Entscheidung durch Fehlinformation nicht genommen werden.
Wow, ist das ein gutes Gefühl, wenn man mit dem Konsumenten offen und ehrlich umgeht und ihn nicht hinters Licht führen muss. Auch die Eventagentur bzw. der Mitarbeiter an der Front fühlt sich gleich mal viel wohler.
Die Botschaft kriegt ein Triple „E“ – „ERDIG, EHRLICH, EMOTIONAL“!
5. Klimawandel – war Corona erst der Anfang?
Es beschleicht viele das Gefühl: Haben wir es übertrieben, über die Stränge geschlagen, zu viel von unserem Planeten gefordert, zu wenig gegeben? Der biologische Fußabdruck von Veranstaltungen ist, seien wir ehrlich, stark negativ – wie aber in den meisten anderen Wirtschaftszweigen auch. Inszenierung braucht Ausstattungen, die immer öfter nur mehr als Einweg benutzt werden, oft aus Billiglohnländern kommen. Sie benötigt die Mobilität von Menschen, erzeugt Müll, schafft unnatürliche Situationen, die die Energiebilanz ins Negative schicken. Man muss kein Wissenschaftler sein, um zu erkennen, dass sich das in der Gesamtbilanz unseres Planeten nicht ausgeht. Andererseits ist das aber auch Teil unserer Gesellschaft, Teil einer Zeit, eines Lifestyles, der wichtig ist, für das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit in dieser Gesellschaft.
Benötigt wird also ein Weg, der die Events nicht nur mit Fakes und netten Begriffen als „klimaschonend“ oder „klimaneutral“ betitelt. Es braucht einen Weg, der eine ehrliche Energiebilanz erfüllt. Schaden der durch Inhalte, Ausstattungen, Transporte, Besucherströme etc. entsteht, muss auch ausgeglichen werden. Im ersten Moment lässt das Kosten steigen, in weiterer Folge entwickelt sich hier eine neue Art des Umgangs mit Ressourcen, somit eine neue Art der Unterhaltung, aber auch Verantwortung im Umgang mit unserem Planeten. Der Wert einer Markenpräsentation gewinnt enorm an Kraft, da sich ja auch das Denken des Konsumenten in diese Richtung ändert.
Diese Entwicklung passiert nicht heute oder morgen, aber in absehbarer Zeit. Wer Vorreiter sein möchte, sollte zum Trendsetter werden.
Harte Monate – aber die Kessel stehen für Volldampf bereit
Spannende Zeiten kommen auf die Eventbranche zu. Das kollektive Jammern muss nun rasch abgestellt werden – und der Autor klammert sich da nicht aus.
Die Branche war immer flexibel, anpassungsfähig, schnell und wendig. Wenn die Entwicklung der letzten Wochen auch mit nichts Anderem bisher vergleichbar ist, viele Agenturen in den Grundfesten erschüttert hat, die Existenz gefährdet:
Besinnen wir uns (und ich schreibe hier als ein direkt Betroffener zum Abschluss bewusst die WIR Form) auf diese Stärken. Seien wir flexibel, anpassungsfähig, schnell und wendig. Das Jammertal rasch durchschreiten, sich auf die Stärken besinnen und alles vorbereiten, um die Kessel nach harten Monaten wieder unter Volldampf zu setzen!